Wenn der Raum der Liebe groß genug ist, dann hat jedes Problem darin Platz.
Das ist ein Leitspruch von mir.

Das bedeutet aber auch – gerade in Liebesbeziehungen im klassischen Sinne:

Traumaerinnerung in der Liebe. Liebe bringt das Negative hoch.
Die Liebe bringt alte Verletzungen hoch.
Das kann total irritierend sein, dass gerade dann, wenn Du im Zusammenhang mit Deinem Partner einerseits sagen kannst, dass es gerade passt, dass es gut ist, dass dann auch das Gegenteil hochkommen kann.

Das, was hochkommt, kann parallel dazu auch sehr diffus sein:

  • ein Gefühl von Trauer, die Du nicht einordnen kannst
  • ein Gefühl von Wut (keine Ahnung woher)
  • ein Gefühl von Schmerz (Wieso das denn jetzt?)
  • ein Gefühl von Einsamkeit (Obwohl ich gerade mit meinem Partner bin?)

Stimmt dann etwas nicht? Ist etwas mit Dir falsch? Ist etwas mit Deinem Partner falsch?
In der Regel nicht!
Bevor Du also in die Umkehr gehst und davon ausgehst, dass irgendetwas an Dir oder dem Partner falsch sein könnte, weil Du ja sonst die negativen Gefühle nicht hättest, möchte ich Dich auf folgenden Gedanken einladen:

Was wäre, gerade WEIL Du Dich jetzt geliebt fühlst, Du Dich so sicher fühlst, dass sich nun ein verletzter Teil von Dir ebenso so sicher fühlt, dass es jetzt hoch kommt?

Was wäre also der Gedanke, dass gerade weil das sogenannte Negative sich nun zeigt, dass es ein Indikator dafür sein kann, dass der Raum der Liebe groß genug ist…?

Solange wir den Umgang, die Regulation und die Co-Regulation dieser negativen Gefühle für uns noch nicht beherrschen, ist ein klassischer Impuls, den Deckel mit alten Strategien wieder drauf zu drücken, um das Fühlen des negativen Gefühls zu unterbinden.
Oder eben, wir geben die Schuld uns selbst oder dem Partner: Er sei schuld, dass es mir nun schlecht geht…

In der Annahme des Gegenteils, bist weder Du noch Dein Partner schuld. In dieser Annahme ist das, was passiert ein gutes Zeichen. Anteile, die meist aus (früh-)kindlicher Prägung stammen, die etwas mit bindungsunsicheren Erfahrungen zu tun haben, kommen nun hoch.

Was könnte nun für Euch beide als Paar hilfreich sein?

Ein magischer Punkt ist, eine Pause zwischen Reiz und Reaktion zu machen.
Konkret: Du fühlst Trauer. Und bevor Du mit Deiner üblichen Reaktion versuchst, die Trauer abzuwehren, runterzuschlucken, mit einem Scherz zu übertünchen oder was sonst Dein Impuls wäre: Halt! Stop! Atmen!

Du kannst, Deinen Partner bitten, in Präsenz zu bleiben, weil Du ihm etwas mitteilen willst.
Und Du kannst entgegen aller Deiner sonstigen Abwehrstrategien Mut aufbringen und Deine Emotion ausdrücken, z.B.:
„Hier ist gerade Trauer.“ „Hier ist ein Gefühl von Trauer.“

In dem Satz: „Hier ist gerade xyz.“ steckt parallel etwas sehr Hilfreiches: 
Du selbst bleibst in der Wahrnehmung, wirst aber nicht zu Deiner Wahrnehmung. Du gibst der Emotion selbst den Raum. Die Trauer ist da, Du kannst auch weinen, wenn Dir danach ist, natürlich. Es ist ein jedoch ein Unterschied, ob Du traurig BIST oder ob Du fühlst, dass hier in Dir Trauer IST.

Was kann Dein Partner tun:
Im besten Falle kann er Dir seine Präsenz geben, in dem er Dir zuhört. Auch in ihm könnten nun Abwehrmechanismen hochfahren. Zwei typische Reaktion könnten sein, zum einen der Impuls, er müsse jetzt ganz schnell irgendetwas TUN, Dir also eine Lösung bieten, um ebenso die Trauer schnellst möglich zu beenden.
Er könnte auch mit Flucht reagieren dass ihm das jetzt zu viel sei. Und vielleicht noch ein Vorwurf: Es wäre doch gerade alles so schön gewesen und nun würdest Du alles kaputt machen…

Die Magie ist wirklich außer dem Dasein und vielleicht der Frage, ob man nun vielleicht gehalten werden möchte, dass er im ersten Schritt nicht mehr TUN muss. Es ist simpel, jedoch nicht einfach. Es ist für viele Menschen, nicht einfach, diese Spannung, in der sich ein Gefühl zeigt, ohne Schuld und ohne Vorwürfe sein zu lassen. Das ist ebenso ein großer Lernprozess, das einfach zu halten. Einfach…

Wenn Dein Partner sehr präsent sein kann, dann kann er sich auch bei Dir bedanken: „Danke, dass Du mit mir teilst, was in Dir gerade passiert. Danke, dass Du mir vertraust.“

Was Dir und Deinem Partner unglaublich viel helfen kann, ist ein Austausch überhaupt über die Idee, die neue Sicht, die neue Annahme, dass das Zeigen von negativen Gefühlen auch ein Zeichen sein kann für ein gutes Wir.
Und dass ihr im Vorfeld mal darüber sprecht, dass ihr das neu ausprobieren wollt, vielleicht auf die oben beschriebene Art und Weise zu spielen, Euch neu aufeinander einzulassen.

Traumatische Prägungen von Bindungsverlusten kommen wie erwähnt aus der Kindheit.
Diese betreffen uns alle.
Auch hier ohne Vorwurf an die Eltern: Sie wussten es selbst i.d.R nicht besser.

Wir sind über Generationen hinweg durch unsichere Bindungsprägungen groß geworden.
Wir haben Kompensationsstrategien entwickelt (meist unbewusst), um in dieser Familienstruktur zu überleben.
Die Bindungsbrüche ließen Verhaltensmuster entstehen, um uns weiterhin der Liebe in irgendeiner Form weiterhin „sicher“ zu sein.

Da Liebesbeziehungen die größte Nähe und Intimität hervorbringen, ist genau hier auch der Dynamo-Effekt am stärksten, dass die alten Bindungsmuster aktiviert, reaktiviert werden, plus die Erfahrungen, die wir in möglicherweise vorherigen Beziehungen auch noch mit im Rucksack haben.

Genauso wird im Raum der Liebe parallel die kleine Sicherheit gestärkt: Puh, hier kann ich meine Verletztheit zeigen.
Hier könnte man die Sehnsucht gestillt sehen, endlich man selbst zu sein:
Geliebt werden, ohne Gegenleistung sozusagen.

Ich lade Dich, ich lade Euch als Paar von Herzen dazu ein, Euch gegenseitig von dieser neuen Annahme zu erzählen und Euch darauf einzulassen, vielleicht zum allerersten Mal in Eurer Beziehung anders damit umzugehen.

Noch ein paar Ideen für den Partner, der der Zuhörende ist:

  • Versuche den Raum zu halten, in dem Du nicht die Schuld bei Dir suchst, dass es Deinem Partner nun „schlecht“ geht
  • Erinnere Dich daran, auch wenn es für Dich jetzt total super schön ist, und Dein Partner vermeintlich wegen des Schmerzes die Stimmung ruiniert, Dir gerade tiefstes Vertrauen auch in seiner Unsicherheit gegenüber schenkt.
  • Nutze auch Du die magische Pause zwischen Reiz und Reaktion: Atmen! Dasein…
  • Wenn Du eine Idee hast, was Du tun könntest: Nicht einfach machen, sondern fragen, ob Du etwas machen darfst!
    Das ist ebenso ein wichtiger Schritt. Denn der eigene Impuls von: Mir würde jetzt in der gleichen Situation eine Umarmung gut tun, muss für Deinen Partner, der gerade seinen Schmerz ausgedrückt hat, in dem Moment nicht stimmig sein! Oft sind eine zugewandte Körperhaltung und warten und da sein und atmen, das größte Geschenk, das ihr Euch beide machen könnt.
  • Du kannst nach der magischen Pause auch fragen: Was Dein Partner wünscht. Wundere Dich nicht, wenn die Antwort lautet: „Ich weiß es nicht.“ Dann bleibt beide im „Raum“ dessen, dass Schmerz gerade aufgetaucht ist, da sein, präsent sein, atmen…
  • „Ich bin da. Danke, dass Du den Schmerz mit mir teilst.“ – erinnere Dich, dass dies auch eine Form von „Liebesbeweis“ ist, dass Dein Partner Dir gegenüber seine verletzte Seite zeigt. WOW!!!

 

Und dann…?
Es gibt kein Spezialrezept – aber ein paar gute Ideen
Erlaubt Euch, das auszuprobieren:

  • Ihr könnt beispielsweise dem Schmerz den Raum geben, in Stille.
  • Vielleicht will Dein Partner eine Geschichte aus seinem Leben teilen, die ihn an eine Erfahrung von Schmerz erinnert.
  • Vielleicht ist das gegenseitige Regulieren für den jetzigen Moment schon völlig ausreichend: Ein spannungsgeladenes Gefühl durfte im Raum der Liebe auftauchen und vielleicht zum ersten Mal macht ihr beide die Erfahrung, dass Euch das nicht voneinander weg bewegt, sondern Euch gegenseitig näher bringt.
  • Und natürlich darf man sich gegenseitig vergewissern, ob es nach einer Zeit noch etwas braucht, ob man sich das gegenseitig nun erfüllen kann und ja, dann darf auch wieder etwas ganz anderes passieren :-)
  • Und erlaubt Euch zu „scheitern“ – sich zu regulieren und den anderen wohlwollend co-zu-regulieren ist zwar wundervoll, aber vielleicht ist das eine neue Erfahrung, die Übung braucht.

 

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