Wie oft begegnet uns der Spruch so oder so ähnlich: Mache Deine Berufung zum Beruf – Beruf kommt ja von Berufung.
Ja, irgendwie schon und irgendwie nicht.
Verknappt ausgedrückt engt Dich das sogar ein, wenn Dein Beruf Deine Berufung sein muss.
Warum? Und ausgerechnet ich schreibe das, wenn ich mich u.a. in meiner integralen Begleitung um berufliche Positionierung kümmere – ist das nicht widersprüchlich?
Warum sollte also Dein Beruf vom Sockel der Berufung gestoßen werden?
Ich denke, wenn wir das nicht tun, wir laufen Gefahr, der beruflichen Tätigkeit zu viel abzuverlangen. Sie muss uns ja schließlich im Sinne einer Berufung erfüllen – diese und solche Sehnsüchte werden mit dem Beruf zur Berufung ja verknüpft.
Es wird dann alles da rein gegeben: Meine Berufung im Beruf muss mich total erfüllen. Alles ist dann gut…und wehe, wenn dem nicht so ist…
Lass mich einen Vergleich ziehen:
Viele suchen auch die Erfüllung in ihrer Partnerschaft, in ihrem Partner – der ist dann auf einmal alles – auch diese Partnerschaft wird dann auf einen Sockel gestellt. Und dabei ist völlig egal, welches Modell Du lebst, ob monogam oder poly-liebend. Aber das MUSS es dann sein. Unter welchen Druck und unter welche Erwartungen wird dann der Partner, bzw. das Modell gestellt?
So auch beim Beruf:
Ein Beruf, Deine Selbständigkeit darf und sollte natürlich Deinen Fähigkeiten, Deinen Neigungen und Deinen groben Interessen entsprechen – sonst wird es mühsam.
Aber das sehe ich noch nicht als absolute Berufung.
Wenn wir vom Beruf und der Berufung sprechen ist es das, was wir aus unseren Talenten monetarisieren können – es ist eine Teilrolle Deines gesamten Wesens.
Vielleicht ist das auch unserer westlichen Sozialisation geschuldet. In sehr großen Teilen dieser Welt wird aus Talenten noch gar nichts monetarisiert. Schlicht weg, weil es das Wirtschaftsmodell dazu noch gar nicht gibt. Hängt also Berufung und Beruf zwingend voneinander ab, dann könnte niemand außerhalb unserer westlichen Sozialisierung seine Berufung finden.
Wenn wir erkennen, dass auch unsere Selbständigkeit nur eine Teilrolle unseres großen Ganzen ist, dann entlasten wir den Begriff der Berufung und damit uns selbst.
Wie gesagt, es ist gut, zu wissen, was man mag, worin man gut ist, und worin man sich innerhalb seiner selbständigen Tätigkeit auch weiter entwicklen will.
Doch wenn der romanische Begriff der Berufung und damit der absoluten Erfüllung wegfällt, kann das auch den Blick erleichtern auf Unterätigkeiten, die in jeder Selbständigkeit anfallen, die einem nicht so riesig Spass machen, nicht ganz so die Erfüllung sind, aber diese Untertätigkeiten dienen dem Gesamtunternehmen das Du hast. Bei mir ist das z.B. die Steuererklärung.
Solange wir in diesem Wirtschaftssystem leben, das hier in den Westen eingebettet ist, kommen wir um die Andockpunkte des Systems wie der Steuererklärung legal nur schlecht drum rum.
Ich sage dazu immer:
„Selbst im schönsten Haus der Welt, muss jemand den Müll runter bringen.“
Und selbst dieses Müll Herunterbringen ist auf einer größeren Draufsicht auf Dein Sein, das Leben Deiner Erfüllung und Berufung.
Wenn alles in Deiner Erfüllung und Deiner Berufung nur in Deinem Beruf, in Deiner Selbständigkeit verwirklicht werden kann, dann wird alles andere in Deinem Leben im Grunde genommen Sinn entleert. Was ist dann mit Deinen Hobbys? Was ist dann mit Deinen Freundschaften, Beziehungen, Deinen ehrenamtlichen Tätigkeiten, dem, was Dir sonst noch Freude bringt?
Wenn ich meine Kunden in ihrer Positionierung innerhalb der Selbständigkeit begleite, dann „weiß“ ich, dass das nicht alles ist.
Wie schon erwähnt, bleibt hier klar der Blick auf Neigungen, Fähigkeiten, auf der Mission und den Werten, die Du dann als Selbständiger leben willst.
Ich erarbeite gemeinsam mit meinem Kunden, wie die Selbständigkeit „gesund“ ausgerichtet und gelebt werden kann aus integral-systemischer Sicht.
Deine Berufung kann aber eben (viel) mehr sein als Dein Beruf. Deine Selbständigkeit kann sogar auch nur das Vehikel sein, um Deine „größere“ Berufung zu leben. Genau durch diese Sichtweise schmeißen wir Deine Selbständigkeit vom Sockel der Berufung. Wir machen sie nicht größer, aber auch nicht kleiner!
Je nach Wertebewusstsein und Phase in Deinem Leben kann Deine Berufung mit Deinem Beruf auch deckungsgleich sein – das ist völlig okay.
Spiral Dynamics:
Um in den Spiral Dynamics Farben zu sprechen, kann Dir in einer Phase (meme), die man Organe (modern-rational) bezeichnet, Deine Selbständigkeit das Wichtigste sein, weil Du etwas schaffen willst, etwas im Außen erreichen willst, weil Du nach etwas „im Außen“ strebst.
Genau diese Phase, also die orangene ist jedoch auch häufig dazu prädestiniert, dass wir uns seelisch-emotional-psychisch in ein Burn-out treiben können. Gerade weil die Selbständigkeit Gefahr läuft, zu viel Raum einzunehmen und Deine anderen Wesensanteile und sei es nur die Sinnhaftigkeit von Regenerationsphasen zu wenig berücksichtigt.
Dann gibt es noch die sog. „grüne Werte Ebene“ in Spiral Dynamics-Sprache.
Hier sehe ich sogar manchmal noch die größere Gefahr, die Selbständigkeit mit der Berufung zu verwechseln. Denn in dieser grünen Bewusstseinsebene beschäftigen wir uns sehr mit unseren Werten, unserer Innerlichkeit und eben durchaus mit dem Sinn unseres Daseins. Doch, wenn die kommenden Antworten, dann wieder in eine Monetarisierung münden, dann füllen wir das organgene Streben nur in neue grüne Gewänder. Es gibt noch weitere Schattenseiten der sog. grünen Werte- oder Bewusstseinsebene. Diese wirst Du unter anderem, wenn wir zusammen arbeiten auch indirekt kennenlernen, weil ich diese Schattenseiten mit berücksichtige.
Akzeptiere, dass Deine Selbstständigkeit nicht Deine Berufung sein muss, sondern ein Teil von ihr sein kann.
Nochmal, solange wir hier in diesem System sind, und auch das Konstrukt Geld noch wirksam ist, dann gehört das Geld verdienen irgendwie dazu. Im Rahmen Deiner Selbständigkeit mit einer Ausrichtung, die Dir entspricht, mit Freude und Spass an Deinen Neigungen, denn auch sie sind ein Motor für Deine Produktivität – keine Frage. Gepaart mit Deinen Werten, gepaart mit Deinem Bewusstsein dafür, womit Du Deinen Kunden einen Mehrwert durch Deine Dienstleistung oder Dein Produkt ermöglichen kannst.
Doch auch all Deine weiteren Rollen, die Dich ausmachen können und dürfen in ein Größeres eingebettet sein, das sich Deiner Berufung nähert. Etwas, was dem entspricht, was Deine Seele hier auf der Erde erfahren will. Sie will Deinen Beruf mit all ihren Höhen und Tiefen erleben, sie will aber auch alles andere erleben, was Dein Leben ausmacht – als Gesamtsystem und mit diesem näherst und lebst Du Deine Berufung.
Deine Selbständigkeit kann Dir ein Fahrzeug sein, das Dich sowohl im Beruf, also auf der monetären Ebene, als auch jenseits davon dazu befähigt Deine Berufung als Ganzes zu leben. Zu diesem Ganzen gehören dann auch Deine Hobbys, Deine Beziehungen, Dein Umfeld, Dein Bewusstes und Dein Unbewusstes, Dein Angebundenen an Deine Seele, alles, was durch Dich erlebt und be-wirkt werden möchte.
Wenn Deine Selbständigkeit allein nicht mehr Deine Berufung erfüllen muss, ist sie ein nützliches Werkzeug. Auch das begleite ich gerne in der Zusammenarbeit mit Dir, wenn Du willst.
Deine Selbständigkeit wird also vom Sockel der Berufung geschmissen. Sie ist nicht DIE Rolle, sie ist eine Rolle in Deinem Leben.
Diese Rolle darf Dich erfüllen und darf Dich ernähren.
Durch die richtige Einordnung dieser Rolle und dem Bewusstsein darüber, dass es nur eine Rolle ist, entsteht ein weiterer Raum der Möglichkeiten. Für diese weitere Öffnung, für diesen Raum der Möglichkeiten stehe ich mit meiner Arbeit, so dass Du bewusst in Deinem Leben wirken kannst.
Alles Liebe,
Natascha
